Es dauert über 2 Minuten, bist du oben bist, und nur ein paar Sekunden, bis du dann wieder unten ankommst: Seit 2019 wartet der Hansa-Park Sierksdorf mit dem „Highlander“ auf, dem höchsten und schnellsten Gyro-Drop-Tower der Welt. Und so selten es auch vorkommt, dass ich Attraktionen reviewe, die keine Achterbahn sind: Der „Highlander“ hat’s sich verdient. Denn abgesehen von dem reinen Weltrekord ist dieser Freifallturm auch ein faszinierendes und einfach gut gemachtes Gesamterlebnis. Mehr dazu im Review – mit Details, die nicht mal bei Wikipedia stehen.
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Weltrekord: „Aus schottisch Dunst hinauf den höchsten Turm“
16 Uhr. Fahrprogramm „Super-Tilt“.
Ich hebe ab. Behutsam drehend schraubt sich der „Highlander“ in den Himmel. Meter für Meter. Höher und höher. „Aus schottisch Dunst hinauf den höchsten Turm“ könnte man sagen – so lautet jedenfalls der frei übersetzte Wortlaut aus dem Werbetrailer. Schon als dieser Trailer herauskam, war klar: die „Rekord-Jagd“ des Hansa-Parks hält an.
Hansa-Park hält zahlreiche Rekorde und Weltneuheiten
Zur Saison 2009 eröffnete der Hansa-Park den inzwischen leicht umbenannten „Fluch von Novgorod“. Die Achterbahn war eine Weltneuheit und sicherte sich den Weltrekord als steilste Dunkelachterbahn. Innerhalb eines massiven Turms stürzt „Novgorod“ 97 Grad steil nach unten – also „senkrechter als senkrecht“.
Zur Saison 2015 kam dann der „Schwur des Kärnan“ dazu. Mit dem Rückwärtsfreifall innerhalb des Turms handelte es sich abermals um eine Weltneuheit, die speziell für den Hansa-Park entwickelt wurde. Obendrauf durfte man sich (zusammen mit dem „Silver Star“ im Europa-Park) über den Rekord für die höchste und schnellste Achterbahn Deutschlands freuen. Damals war „Kärnan“ sogar auch noch die zweithöchste Achterbahn Europas.
Zur Saison 2019 sollte es – mit schönem Gruß nach Soltau – dann noch höher hinausgehen. Der „Highlander“ hat eine Gesamthöhe von 120 Metern, eine Fallhöhe von 103 Metern, eine Fallgeschwindigkeit von bis zu 120 km/h und dann auch noch abkippende Sitze. Ein Freifallturm der Superlative also.
Der bisherige Rekordhalter, „Scream“ im Heide-Park Resort, wurde hiermit deutlich übertroffen. Vielleicht nicht in Sachen Intensität, aber: FunFact: In den 103 Metern Höhe, aus der der „Highlander“ fällt, findet sich im Heide-Park die Spitze der auf dem Turm montierten Antenne. Trotzdem bewarb der Heide-Park seinen Freifallturm noch bis Ende 2020 als höchsten Gyro-Drop-Tower der Welt.
Gyro-Drop-Tower mit baulichem Anspruch
Die Gondel hat inzwischen schon ordentlich an Höhe gewonnen. Von Ostseeseite her weht mir ein frisch-salziger Küstenwind um die Nase. Je höher es mich den „Highlander“ hinaufzieht, desto eindrucksvoller wird die Aussicht auf das Wasser, die Felder und die umliegenden Gemeinden. Der quasi benachbarte Panorama-Aussichtsturm, der bald nicht mehr da sein wird, erscheint wie eine Miniatur. Und selbst dem 79 Meter hohen Turm von „Kärnan“ schaut man aufs Dach.
Beachtliche Baudaten
Um solch eine Aussicht ermöglichen zu können, ist der „Highlander“ ist mit 19 Bohrpfählen 28 Meter tief im Erdboden verankert. 250 Kubikmeter Beton bilden das solide Fundament für den mehr als 150 Tonnen schweren Turm. Über 30 Betonmischer fuhren die Baustelle an, um den Beton just in time bereitzustellen.
Grobe Zahlen für millimeterfeine Arbeit also. Und es geht noch weiter. Denn wie hebt man überhaupt die einzelnen tonnenschweren Segmente des Turms in solche Höhen?
Nun, dafür bestellte man sich einen neun-achsigen und im erweiterten Aufbau über 140 Meter hohen Kran. Normalerweise, so beschreibt es die Baudokumentation, ist so ein Kran eher beim Aufbau von Windparks zu finden oder um Gerüstteile vom Kölner Dom runterzufischen. Nun baut er eben einen Freifallturm auf.
„Wenn man so einen Weltrekordturm baut und noch dazu nicht nur auf die grüne Wiese, sondern ihn in eine vorhandene Achterbahn-Helix integriert, ist das etwas baulichtechnisch sehr Anspruchsvolles, etwas Besonderes.“
– Christoph Leicht, Geschäftsführung Hansa-Park
Individuell komponierter Soundtrack
Doch es ist nicht nur das tolle Ostseepanorama, das den „Highlander“ auszeichnet. Auch der von IMAscore komponierte und natürlich schottisch inspirierte OnBoard-Soundtrack leistet seinen Beitrag.
Mit jedem Meter, den es höher geht, geht der Soundtrack von einer stimmungsvoll-feierlichen Atmosphäre zu einer bedrohlich-dürren über. Unten ist er noch hymnenartig; erinnert im Entferntesten an „Scotland The Brave“, aber mit vollem Orchester. Hoch oben auf 80, vielleicht auch schon 90 Metern werden dann von einem mystisch wirkenden Chor nur noch einzelne lateinische Wörter harmoniert.
Im Gespräch mit einem der Komponisten kam heraus, dass eines dieser harmonierten Wörter „Imperium“ lautet. Ist das vielleicht, wenn auch inoffiziell, eine Anspielung auf die Größe des „Highlanders“, die Großmacht und den Einfluss der Hansekaufleute ihrerzeit sowie das frühere schottische und heute britische Königreich?
„Highlander“: Hansekontext auf den zweiten Blick
Wir sind oben. Mit einem zusätzlichen Knarzen aus den Lautsprechern kippen die Sitze nach vorn. Um mich herum nehme ich ein Stimmungs-Mischmasch wahr. Höhebedingte Überwältigung bei den einen Leuten, pure Freude über das Geschehen bei den anderen.
Es ist ein Neigungswinkel von „nur“ 30 Grad, doch er erlaubt es, den riesigen Turm hinunter direkt auf den Boden zu schauen. Das heißt: direkt auf den Themenbereich „Bezauberndes Britannien“, in dem der „Highlander“ neben der Kultachterbahn „Nessie“ und der Familienachterbahn „Royal Scotsman“ die Hauptattraktion ist.
Doch was hat das eigentlich mit der Hanse zu tun?
Fortschreitende Hanseatisierung
Neben den zahlreichen Rekorden und Weltneuheiten, die der Hansa-Park Sierksdorf seit dem Jahr 2008 hervorgebracht hat, war auch die kontinuierliche Hanseatisierung des Freizeitparks ein Thema. Deutschlands einziger Erlebnispark am Meer macht es sich zum Ziel, seinen Namen zu versinnbildlichenund auf Geschichten sowie Kulissen aus der früheren Hansezeit in Europa aufzubauen.
In den hanseatischen Handelsbeziehungen spielte auch Schottland eine wesentliche Rolle – vornehmlich mit dem Hafen von Edinburgh sowie den Orkney- und Shetland-Inseln in den Highlands. So erklärt sich auch der Themenbereich – abgesehen davon, dass die 1980er Loopingbahn „Nessie“, benannt nach dem Seemonster von Loch Ness, ohnehin schon in einem schottischen Kontext stand.
Steckt hinter dem „Highlander“ thematisch noch viel mehr?
Bis zum Bau des „Highlanders“ fand sich hier noch einer der wirklich alt-klassischen Bereiche des Hansa-Parks. Die Station von „Nessie“ war noch der sozusagen Plattenbau von früher. Nun sollte Schottland aber wirklich Einzug erhalten.
Das „Bezaubernde Britannien“ soll an die schottische Landschaft erinnern. Steine und Efeu zieren das Erscheinungsbild und „Nessie“ bekam einen neuen Bahnhof im Stil des berühmten Eilean Donan Castles, das auch schon in James-Bond-Filmen zu sehen war.
Obendrauf wurde der „Rasende Roland“ in den „Royal Scotsman“ umbenannt, angelehnt an den legendären Luxuszug und die mehrtägige Schienenkreuzfahrt in die Highlands. (Dabei wird – welch Zufall – auch das Eilean Donan Castle angesteuert.)
Vielleicht repräsentiert der „Highlander“ neben all diesen schottischen Motiven drumherum aber noch viel mehr. Denn England und Schottland spielten nicht nur in der Blütezeit der Hanse eine bedeutende Rolle, sondern auch später beim Niedergang.
Wenn man sich die Stories hinter dem „Schwur des Kärnan“ und der „Flucht von Novgorod“ ansieht, erkennt man, wie sehr der der Hansa-Park teils auf nicht sofort ersichtliche Detailarbeit setzt. Damit setzt sich der Freizeitpark von vielen anderen ab. Und was wäre, wenn der „Highlander“ insgeheim ebendiesen Aufstieg und Niedergang der Hanse symbolisch widerspiegelt?
Unterm Strich bleibt es eine freie und inoffizielle Interpretation – aber es wäre beachtlich, würde es stimmen.
Ein letzter Höhenmeter vor dem Fall
Wir haben die über 100 Meter Höhe erreicht und bleiben stehen. Es dauert einen kurzen Moment, bis die etwa 8 Tonnen schwere Gondel ganz langsam noch ein kleines Stück höhergezogen wird und es dann ohne weitere Vorwarnung abwärtsgeht.
Den Fall kann man kaum in Worte fassen. Man fällt einfach (und fällt und fällt), bevor die Dauermagnetbremsen die Gondel sanft auffangen und sie mit zischender Hydraulik wieder am Boden ankommt. Gerade mit dem Blick nach unten ist es spektakulär, wie schnell der Boden wieder näherkommt.
Meine Zehenspitzen berühren bei der Landung den Boden. Dann richten sich die Sitze wieder auf. Die Bügel lösen sich, ich stehe auf. Ein jedes Mal mit leicht zittrigen Knien – und wenn ein Freifallturm genau das ein jedes Mal schafft, ist er einfach gut.
Übrigens: Dieses „Super-Tilt-Programm“, bei dem die Sitze auch beim Fall gekippt sind, wird normalerweise ab 13 Uhr gefahren. Ich kann es nur empfehlen. Vor 13 Uhr fährst du das „Tilt-Programm“. Heißt: Es geht drehend nach oben und die Sitze kippen auch hier nach vorn, doch vor dem Fall richten sie sich wieder auf.
„Highlander“ = Beste Attraktion im Hansa-Park?
Der Hansa-Park wartet mit einem immer besseren Portfolio an Attraktionen auf, darunter Top-Achterbahnen, viele Wasserbahnen und viel für Kids. Der „Highlander“ ist für mich persönlich die beste Attraktion des Freizeitparks. Vielleicht würde ich ihn sogar als besten Freifallturm bisher bezeichnen, wenngleich der „Golden Driller“ in der Fraispertuis City (Frankreich) mit dem freien Fall im Stehen nur um ein My dahinter ist.
Mit dem Weltrekord hat das indes wenig zu tun, sondern einfach mit dem beschriebenen Gesamterlebnis. Die superschöne Aussicht; der OnBoard-Soundtrack; der Thrill durch die abkippenden Sitze und den Blick nach unten; der freie Fall an sich; die Fallgeschwindigkeit; die Thematisierung mit der vielleicht versteckten Symbolik…
Das alles fügt sich meiner Meinung nach zu einer Attraktion zusammen, die man bei einem Besuch im Hansa-Park auf keinen Fall auslassen sollte. Und wenn du noch nicht im Hansa-Park warst, ist der „Highlander“ ein weiter sehr guter Grund, ihn mal zu besuchen. Informationen zu Tickets und Öffnungszeiten findest du auf der Website des Hansa-Parks.
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