Vor den Toren der saudi-arabischen Hauptstadt Riad entsteht ein neuer Freizeitpark – Six Flags Qiddiya. Das geplante Markenzeichen des Parks: „Falcon’s Flight“, die dann höchste, schnellste und längste Achterbahn der Welt. Was sind die Rekordwerte der Achterbahn und was steckt hinter dem einfach nur gewaltigen Bauvorhaben, das laut Kalkulation rund eine Milliarde Dollar verschlingt?
„Wir freuen uns darauf, gemeinsam Six Flags Qiddiya zu bauen und einen Weltklasse-Themenpark mit mehreren aufregenden neuen Fahrkonzepten bereitzustellen. Six Flags Qiddiya wird eine wichtige Unterhaltungsattraktion für Riad, das Königreich und die Welt insgesamt sein.“
Abdullah Aldawood, Vorstandsmitglied und Geschäftsführer von QIC
Six Flags Qiddiya kurz und schnell erklärt
Qiddiya – Was entsteht da mitten in der Wüste?
„Something new for the people of Saudi Arabia“ – unter diesem Motto entsteht mitten in der Wüste des Nahost-Königreichs ein gigantischer Lern-, Sport-, Kultur- und Entertainment-Komplex. Qiddiya. Die Mission lautet, auf einer riesigen Gesamtfläche von 320 Quadratkilometern einen inspirierenden Ort der Weiterentwicklung und Lebensfreude zu erbauen.
Was immer man sich in dem Rahmen vorstellen kann: Qiddiya wird es haben. Wohnraum mit Lern-, Förder- und Forschungseinrichtungen. Ein großes Natur- und Erholungs-Ressort. Ein Sport- und Eventzentrum inklusive Stadion und Rennstrecke beispielsweise für die Formel 1. Kultureinrichtungen. Und nicht zuletzt eben auch den erwähnten Freizeitpark Six Flags Qiddiya mit seiner bahnbrechenden Weltrekord-Achterbahn „Falcon’s Flight“.
Die höchste, schnellste und längste Achterbahn der Welt wird ein technisches Wunderwerk
„Falcon’s Flight“ ist nach dem saudi-arabischen Nationalvogel benannt. Der Falke steht bei den Saudis für Mut und Kraft und hat für das Land sowie die Menschen eine tiefe symbolische Bedeutung.
Wenn man sich die geplanten Weltrekorde und Streckenelemente von „Falcon’s Flight“ ansieht, sind Mut und Kraft durchaus gute Stichworte: Die Achterbahn soll eine Strecke von fast vier Kilometern zurücklegen (längste Achterbahn der Welt) und seine Insassen inmitten des Layouts eine Felsformation erklimmen lassen.
Dort oben kommt das sogenannte „Cliff-Dive-Manöver“, die wahrscheinlich größte Sensation der Nah-Ost-Neuheit: Du näherst dich auf der Felsformation dem Abgrund und stürzt dann teils senkrecht von der Klippe ins 160 Meter tiefe Wüstental (höchste Achterbahn der Welt). Noch zusätzlich zur normalen Schwerkraft soll der Zug dabei mit kraftvoller LSM-Technologie beschleunigt werden. Auf diesem Drop erreicht die Achterbahn eine Spitzengeschwindigkeit von bis zu 250 Stundenkilometern (schnellste Achterbahn der Welt).
Welche Achterbahnen halten die bisherigen Rekorde?
Unterm Strich wird „Falcon’s Flight“ damit höher als die höchste, schneller als die schnellste und länger als die längste Achterbahn der Welt werden. Das ist vor allem deshalb spannend, weil die bisherigen Rekordhalter ihren Titel seit teils mehr als 20 Jahren locker verteidigen konnten, bevor nun der Falke zum Sturzflug ansetzt und sie zum Frühstück verspeist.
Obwohl jedes Jahr in aller Welt neue Achterbahnen gebaut werden, blieben die jeweiligen Weltrekorde von allen bisher neuen Bahnen unangetastet. Und das aus gutem Grund: Denn eine Achterbahn muss nicht zwingend Rekorde brechen, um gut zu sein. Manchmal ist sogar genau das Gegenteil der Fall und gerade die rekordbrechenden Bahnen haben außer den Rekorden nichts zu bieten. Wie das bei „Falcon’s Flight“ in Six Flags Qiddiya wird, bleibt abzuwarten.
Intamin baut die Bahn, die Six Flags Entertainment Corporation betreibt den Park
Six Flags Qiddiya und „Falcon’s Flight“ wurden im Jahr 2019 erstmals öffentlich angekündigt. Allerdings stieß das Vorhaben da noch auf überwiegend skeptische Reaktionen. Erstens, weil die Pläne schlicht utopisch wirkten. Und zweitens, weil die Six Flags Entertainment Corporation, die den Park betreiben wird, auch in Dubai schon einen neuen Freizeitpark bauen wollte und im letzten Moment einen Rückzieher machte.
Bei Qiddiya scheint es anders zu sein. Eine offizielle Pressemeldung bestätigte am 03.01.2021, dass das Bauvorhaben umgesetzt wird und dass auch die Achterbahn in der Konzeptionsphase steckt. Inzwischen kursieren immer mehr Bilder davon, wie „Falcon’s Flight“ Meter für Meter errichtet wird.
Um den bahnbrechenden Coaster zu realisieren, arbeitet man mit dem Schweizer-Liechtensteiner Hersteller Intamin Amusement Rides zusammen. Dieser war bereits für „Formula Rossa“ wie auch „Kingda Ka“ verantwortlich und bricht mit „Falcon’s Flight“ die eigenen Rekorde. In Deutschland hat Intamin unter anderem „Taron“ im Phantasialand oder „Desert Race“ im Heide-Park entwickelt. Beide zählen zu den 7 schnellsten Achterbahnen Deutschlands. Ferner kommt die neueste Achterbahn im Movie Park Germany von Intamin – ein sogenannter Multi-Dimension-Coaster.
“The coaster will dominate the skyline at Qiddiya weave all the way around our destination, right out of the theme park, up the cliffside, and down the cliff face – the greatest drop of any ride in the world; it won’t be for the fainthearted!”
Philippe Gas, CEO von Qiddiya
“The worldwide unique setting and heights such as the natural cliff will enable us to design an architectural masterpiece in steel.”
Daniel Schoppen, Vice President für Design und Entwicklung von Intamin Amusement Rides
Six Flags Qiddiya wird der erste saudische Freizeitpark nach westlichem Vorbild
Six Flags Qiddiya wird der erste große Freizeitpark in Saudi-Arabien nach westlichem Vorbild sein. Bisher sind solche Parks in dem Land und überhaupt in Nahost alles andere als ein Massenphänomen so wie in unseren Breitengraden.
Six Flags expandiert (nach mehreren, nicht mehr existierenden Freizeitparks in Europa) erneut ins ferne Ausland und leistet offenbar eine der größten Investitionen der Unternehmensgeschichte. Bisher betreibt die Kette nach eigenen Angaben 27 Destinationen in den USA sowie in Kanada und Mexiko. Six Flags Qiddiya scheint die Nummer 28 zu werden und steht auch schon als als offizielle Ankündigung auf der Webseite des Unternehmens. Im neuen Freizeitpark nahe Riad sollen fürs erste auf einer Fläche von 32 Hektar 28 Attraktionen in 6 aufwändig gestalteten Themenwelten eröffnen. Neben „Falcon’s Flight“ wird es noch weitere Achterbahnen geben.
Doch warum überhaupt die Investition? Und dann auch noch in einem Land, das mit Freizeitparks bisher kaum was am Hut hat? In den Freizeitparks der benachbarten Vereinigten Arabischen Emirate ist so gut wie nie wirklich viel los. Unter dieser Voraussetzung ist es nur schwer vorstellbar, dass sich Six Flags Qiddiya rechnen wird. Doch sehen wir uns die Hintergründe des Bauvorhabens an:
Qiddiya gehört zum großen Masterplan, ein moderneres, zukunftsgewandtes Saudi-Arabien zu konstruieren
Saudi-Arabien ist nach Venezuela das Land mit den weltweit zweitgrößten Erdölreserven. Die nationale Fördergesellschaft Saudi Aramco ging 2019 an die Börse und wurde anhand der Marktkapitalisierung auf Anhieb zum wertvollsten Konzern der Welt.
Doch genau das macht Saudi-Arabien Probleme: Öl und Gas machen fast die Hälfte des heutigen Bruttoinlandsprodukts aus. Demnach ist das Land stark von einer endlichen und umweltschädlichen Ressource abhängig. Das hat das erzkonservative Königreich erkannt und daraufhin einen Masterplan namens „Vision 2030“ erarbeitet.
Wirtschaftlich-gesellschaftlicher Vorwärtssalto
Im Rahmen dieses Plans möchte man sich vom Öl und Gas lösen und ihren Anteil am BIP auf nur noch 11 % im Jahr 2030 reduzieren. Auf der anderen Seite möchte man sich unter anderem auf erneuerbare Energien konzentrieren und Weltmarktführer in Sachen Photovoltaik werden. Dabei sollen hunderttausende Arbeitsplätze entstehen.
Neben den wirtschaftlichen Zielen möchte sich Saudi-Arabien auch gesellschaftlich verändern. Frauen sollen einen immer größeren Anteil an der Erwerbsbevölkerung einnehmen und mehr Rechte genießen. Außerdem möchte man die Ausbildung der jungen saudischen Bevölkerung fördern – unter anderem mit den Lerneinrichtungen in Qiddiya.
Internationaler Tourismus in Saudi-Arabien
Auch der internationale Tourismus ist in der „Vision 2030“ ein Thema. Bisher war das größte Land der Arabischen Halbinsel für Urlauberinnen und Urlauber erstens schwer zugänglich und zweitens wenig attraktiv. Touristisch spielten bis dato nur die alljährlichen Pilgerbewegungen nach Mekka eine nennenswerte Rolle.
Die herausfordernde Einreise hat man nun bereits mit einem neuen Touristenvisum gelöst. Um das Land für Reisende auch interessant zu machen, baut man die Infrastruktur aus und schafft neue Destinationen. Dazu gehören Luxusbadeorte, besser erreichbare archäologische Stätten und eben auch Qiddiya mitsamt dem Freizeitpark.
Es scheint, als wolle sich Saudi-Arabien neu erfinden. Ob neben allen anderen Ziele aber allein schon die touristischen Ziele erreicht werden können, bleibt angesichts der andauernden – und berechtigten – Kritik an den gesellschaftlichen Werten und Normen des Landes abzuwarten. Die gesellschaftlichen Bemühungen insbesondere mit den Frauenrechten sind natürlich ein richtiger Schritt. Doch ob sich die tiefsitzend-konservative Mentalität des Landes und dessen Menschen auch tatsächlich ändern lässt, ist eine andere Sache.
Was jedenfalls Six Flags Qiddiya und „Falcon’s Flight“ betrifft, kann man festhalten: Das, was 2019 noch utopisch und surreal erschien, befindet sich für umgerechnet 1 Milliarde Dollar im Bau. Neutral betrachtend bin ich sehr gespannt, wie der fertige Freizeitpark aussehen wird und was Intamin aus dem hell erleuchteten Zenit des Achterbahnhimmels macht. Weitere Informationen findest du auch auf der offiziellen Webseite von Six Flags Qiddiya.