„Toutatis“ ist die neueste Achterbahn im französischen Parc Astérix 30 Kilometer nördlich von Paris – ein Multi-Launch-Coaster der neuesten Generation des Herstellers Intamin. Mit einer Höhe von 51 Metern am höchsten Punkt und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 107 Stundenkilometern ist „Toutatis“ die höchste und schnellste Achterbahn Frankreichs. Außerdem hat sie mit 23 (!) teils intensiven Airtime-Momenten die meisten davon auf einer Achterbahn weltweit.
Je mehr seit den ersten Artworks und während der Bauphase von der Achterbahn sichtbar wurde, desto größere Erwartungshaltungen kamen in den Kommentarspalten auf. Vereinzelt erwarteten die Menschen sogar einen Kandidaten für die neue beste Achterbahn Europas.
Auch ich sah gewisse Tendenzen und war zunehmend gehypt. Somit habe ich mich gleich einen Monat nach der Eröffnung in Richtung Frankreich aufgemacht, um „Toutatis“ auszuprobieren und abzuchecken, ob die Achterbahn die großen Erwartungshaltungen erfüllt. Hier berichte ich über meine Erlebnisse und Beobachtungen und ordne sie ein.
« Bienvenue à la Festival du Toutatis ! »
Der Dorfhäuptling Majestix und einige andere Bewohner haben sich schon vor Tagen aufgemacht, um dort, wo ihr oberster Stammesgott Toutatis ruht, ein großes Fest zu dessen Ehren zu organisieren. Lediglich mit solch einer Ehrung würde Toutatis die Gallier weiterhin im Frieden wie auch im Krieg beschützen. Doch wer glaubt, dass ausgelassene Feierlichkeiten allein reichen, irrt. Der Gott fordert ein Ritual, in dem die Teilnehmenden ihren ausgesprochenen Mut beweisen und dass sie seines Schutzes würdig sind. Also haben die Gallier eine Mutprobe entwickelt, die ihresgleichen sucht. (Ein nationaler wie auch internationaler Rekordbrecher.)
Eine Zeremonie des keltischen Kults
Ich bin im Parc Astérix und entere das „Festival du Toutatis“. Es ist ein brandneu und echt schön gestalteter Themenbereich, in den die Achterbahn „Toutatis“ eingebettet ist. Entworfen wurde er von Julien Bertévas und Jef Preti von KAERU Theme Park Design. Das französische Designer-Duo war beispielsweise auch für die Gestaltungen rund um den Inverted Coaster „Oziris“, ebenfalls im Parc Astérix, oder rund um „Tiki Waka“ und „Kondaa“ im Walibi Belgium verantwortlich.
Traditionell orientiert sich der Parc Astérix bei seinen Themenbereichen an den Welten und Geschichten aus den Asterix-Comics. Der Freizeitpark wurde ursprünglich sogar von Albert Uderzo, dem Zeichner der Comics, mitentworfen. In diesem Fall fließt jedoch auch eine große Portion wahre Geschichte ein, indem sich das „Festival du Toutatis“ dem spirituellen Wesen der mittelalterlichen Kelten widmet.
Gottesglaube und Opferungsrituale
Tatsächlich haben die Kelten geschichtlichen Überlieferungen nach einen Gott namens Toutatis verehrt und glaubten, dass er sie beschützen würde, wenn sie ihn mit Menschenopfern besänftigten. Die Opferungen fanden überwiegend durch Versenkung im Moor oder durch Verbrennung in einer Holzkonstruktion namens „Wicker Man“ statt. (Bei letzterem Ritual dürften sich findige Freizeitparkfans an die gleichnamige Holzachterbahn im britischen Freizeitpark Alton Towers erinnert fühlen.)
Was beim „Festival du Toutatis“ jedoch sofort auffällt, ist, dass sich der Parc Astérix nicht für dunkle Moore oder sengende Feuer entschieden hat, sondern für eine eher harmonische und feierliche Atmosphäre. Lebensfrohe, orangefarbene Girlanden und Dekorationen zieren das Areal und an allen möglichen Stellen fallen ehrwürdige keltische Symbole auf. Vor allem sind es die Spiralformen, die in der keltischen Mythologie für den unsterblichen Geist und den Anfang nach dem Ende standen.
Trotzdem ist auch in diesem Themenbereich eine Brücke zu den Asterix-Comics vorhanden. Toutatis taucht in den Comics zwar nie direkt als Figur auf, wird aber immer wieder durch den Ausruf „Beim Teutates!“ wörtlich erwähnt. Die französische Variante des Ausrufs („Par Toutatis!“) hat der Freizeitpark groß auf das Dach des Shops aufgebracht, was bestens zu sehen ist, wenn man rückwärts die senkrechte Spike hochjagt. Und damit sind wir auch direkt bei der Achterbahn selbst:
„Toutatis“ – Custom-Coaster für 28 Mio. €
Mit noch moderatem Tempo biegen wir leicht rechts in einen Graben ein, sinken ein Stück herab und werden dann mit einem kurzen Ruck der LSM-Motoren etwas schneller. Das Gefährt scheint über eine Bodenwelle zu springen, wird dann mit einem zweiten Ruck erneut etwas schneller und fährt erstmals steil den 51 Meter hohen Top-Hat hinauf. Das Tempo reicht jedoch noch nicht aus, um ihn zu absolvieren, und wir rollen zurück.
Wieder ein Ruck, diesmal rückwärts. Wir werden abermals ein Stück schneller, fliegen diesmal förmlich über die Bodenwelle, nehmen ein zweites Mal rückwärts Anlauf und donnern über eine zwischenzeitlich verstellte Weiche.
Was jetzt kommt, ist in der Form und Höhe in Europa einzigartig – eine senkrechte Spike, bald so hoch wie der Top-Hat, die wir mit leichter Airtime und einem beeindruckenden Blick aufs „Festival du Toutatis“ hinauf und wieder runter rasen. Leider ist nur von außen ersichtlich, wie gefährlich nah wir dem oben abgeschnittenen Schienenende dabei kommen.
Und „Toutatis“ wird noch eine Spur intensiver: Wir donnern wieder über die Weiche, die sich angesichts der hohen Geschwindigkeit zum Glück keinen Millimeter bewegt hat, ballern mit einem erneut zweiteiligen Boost völlig außer Kontrolle durch den Graben und erklimmen die vollen 51 Meter des Top-Hats. Oben erwartet uns ein kurzer Moment des Verschnaufens, bevor wir mit einem Gefälle von 101 Grad wieder in die Tiefe stürzen und zu weiterer Action ansetzen.
„Toutatis“ frühstückt alle Trends & Highlights moderner Stahlachterbahnen ab
Der beschriebene Pendellaunch mit der senkrechten Spike ist nur eines der 32 Elemente, die „Toutatis“ laut Hersteller Intamin zu bieten hat. Und es ist ein Trend-Element, das seit ein paar Jahren immer öfter auf neuen Achterbahnen zu finden ist. Es wird sogar nachträglich in bestehende Anlagen eingebaut, wie beispielsweise beim „Top Thrill Dragster“ im amerikanischen Cedar Point, Ohio. Jene Achterbahn zählt zu den schnellsten Bahnen der Welt und wird derzeit umfangreich kernsaniert. Aus einem ehemals hydraulischen Einfach-Abschuss wird jetzt ein Pendellaunch mit Spike.
Die Konstruktionen erfreuen sich großer Beliebtheit – genau wie Zero-G-Stalls, bei denen du mehrere Sekunden schwerelos überkopf fährst; genau wie Streckenabschnitte mit ausgeprägter Hangtime nach unten; genau wie kurze intensive Airtime-Pops, Steilkurven mit seitlicher Airtime, mehr als senkrecht geneigte Drops oder superschnell durchfahrene seitliche Rollen.
Die Besonderheit bei „Toutatis“ ist, dass die Achterbahn wie kaum eine andere ALL diese Elemente besitzt. So frühstückt sie quasi sämtliche Trends und Highlights moderner Stahlachterbahnen in einem Rutsch ab. Und die Rechnung mit dem Begeisterungslevel scheint aufzugehen: Wer in der Schlussbremse die Ohren spitzt, wird von anderen mit hoher Wahrscheinlichkeit Wörter wie „Incroyable“ oder „Exceptionnel“ wahrnehmen.
Das mit dem Kandidaten für die neue beste Achterbahn Europas, was manch jemand vorab in der Kommentarspalte vermutet hat, scheint also gar nicht so weit hergeholt zu sein. Oder?
Meine persönliche Sicht auf „Toutatis“
Ohne jeden Zweifel ist „Toutatis“ eine der besten Achterbahnen Europas. Das Layout ist mehr als abwechslungsreich und so smooth und intensiv, wie man es bei neuen Bahnen von Intamin stets erwarten darf. Die Thematisierung mit dem „Festival du Toutatis“ hat mir ebenfalls ausgesprochen gut gefallen. Besonders der zeremonielle Dispatch mit den dynamischen, grünblauen Lichtströmen ist gelungen. Es wirkt, als würde die Macht und Kraft des Gottes auf die Insassen übertragen werden.
Doch wo ordnet sich „Toutatis“ im Ranking der besten Achterbahnen Europas schlussendlich ein?
Ich persönlich sehe in „Toutatis“ einen stark-soliden Top-20-Coaster. Sie spielt in einer Masse aus über 200 gefahrenen Achterbahnen definitiv in der obersten Liga mit, schafft es aus meiner Sicht aber vorerst nicht an den Bahnen in der Top 10 vorbei. Der Grund dafür ist, dass ich bei sämtlichen Fahrten das Gefühl hatte, dass „Toutatis“ zwar viele sehr gute Elemente und Merkmale aneinanderreiht, ohne aber, dass EIN ausschlaggebendes Element oder Merkmal herausstach. Die Launches sind echt stark, aber nicht herausragend. Die Spike ist echt stark, aber nicht herausragend. Der Zero-G-Stall ist echt stark, aber nicht herausragend. Elemente wie diese habe ich auf anderen Achterbahnen einfach schon slightly besser erlebt.
TROTZDEM soll das „Toutatis“ nicht abwerten. Wir können uns durchaus glücklich schätzen, eine Achterbahn wie diese in relativ erreichbarer Nähe zu Deutschland zu haben. Auch der Parc Astérix selbst ist ohne Zweifel einen Besuch wert. Neben „Toutatis“ bieten die Gallier unter anderem auch noch den gelungenen Inverted Coaster „Oziris“, eine echt intensive Rückwärtsfahrt auf der überarbeiteten Holzachterbahn „Tonnerre 2 Zeus“ oder die vielleicht beste klassische Baumstamm-Wildwasserbahn, die ich bisher in einem Freizeitpark erlebt habe.
Wenn du den Parc Astérix also noch nie besucht hast, kann ich dir die Reise dorthin wärmstens empfehlen 🙂